Freitag, 4. Dezember 2020
Tipp von Olivia

Schon das Cover (hier mit Autorinnen-Foto beim deutschlandfunk) ist ein Vergnügen bei Helena Adlers nur 176 Seiten schmalem Roman "Die Infantin trägt den Scheitel links". Und so schräg wie das Cover und der Titel ist die Kurzbiographie der Autorin auf der Verlagsseite (Jung und Jung): "geboren 1983 in Oberndorf bei Salzburg in einem Opel Kadett. Lebt als Autorin und Künstlerin in der Nähe von Salzburg. Studium der Malerei am Mozarteum sowie Psychologie und Philosophie an der Universität Salzburg." 2020 findet sie sich auf der Longlist des Deutschen Buchpreises.

Adler erzählt von einer Kindheit und Jugend auf einem abgeranzten österreichischen Bauernhof. "Die Heimat als Hölle", raunt die Zeit und stellt den Vergleich an mit den großen Bösen des Landes - Thomas Bernhard, Josef Winkler, Elfriede Jelinek, Helmut Qualtinger. "Ihre Sprache hat scharfe Ecken und spitze Kanten und ist so bissig, dass man das Buch immer wieder aus der Hand legen muss", zärtelt die Rezensentin.

Der Standard betätigt sich investigativ und bekommt heraus, dass Adler "tatsächlich viel real Erlebtes in ihr Schreiben einfließen lässt". Ein Video findet sich auf 3sat, eine wunderbare Gelegenheit, sein Österreichisch mal wieder etwas aufzupolieren. Den B1-Kurs kann man dann mit einem 10-minütigen Interview beim WDR in Angriff nehmen.

Public Domain Mark 1.0

Wir haben es hier mit einer "sehr speziellen, zumindest interessant gebrochenen Dorfbiografie zu tun", fällt der SZ auf. Scharf beobachtet, denn welche ungebrochene Dorfbiographie würde die Kapitel-Überschriften den Titeln der Gemälde entnehmen, die die Autorin geprägt haben, darunter Goyas "Der Schlaf der Vernunft gebiert Ungeheuer". Tu felix Austria, scribe! Boah!





Wilhelm Raabe-Literaturpreis

Den Wilhelm Raabe-Literaturpreis 2020, immerhin mit feschen 30.000 Euro dotiert, konnte Christine Wunnicke für ihren Roman „Die Dame mit der bemalten Hand“ einheimsen. Sie ist keine Unbekannte, stand 2020 auf der Longlist des Deutschen Buchpreises und wurde im selben Jahr mit dem Münchner Literaturpreis für ihr Gesamtwerk ausgezeichnet.

Mit Genehmigung des Verlags.

Die Jury begründet ihre Entscheidung unter anderem damit:

„Christine Wunnicke hat über Jahrzehnte hinweg ein eigenständiges Werk geschaffen, in dem sich die Gattungen mischen. Gelehrte Groteske. Historischer Miniaturroman. Wissenschaftssatire. Sie beherrscht die Wissensjargons verschiedener Zeiten, mythologische und religiöse Idiomatiken und poetische Aufschwünge ebenso wie deren Parodien. Immer arbeitet sie auf der Grenze zwischen beiden. Am Kipppunkt von Wahn in Wissen und umgekehrt; von Bericht und Karikatur eines Berichts."

Im Jahr 1764 verschlägt es einen deutschen Forschungsreisenden und einen persischen Astrolabienbauer nach Indien. Mehr zum Inhalt erfährt man auf deutschlandfunk kultur, das seine Schwierigkeiten damit hat, diesen "im besten Sinne sonderbaren und offenen Roman" einem Genre zuzuordnen. "Wir können nie genug erzählt bekommen, aber zwei Bücher von Christine Wunnicke sind schon mal ein Festschmaus. Nun bitte noch als Digestif den Buchpreis für das eine davon", fordert die FAZ und hat Erfolg mit ihrer Forderung. Das erwähnte zweite Buch ist übrigens Wunnickes wiederaufgelegte Novelle "Nagasaki, ca. 1642".