Wahl zum 52. Treffen

Zum unglaublichen 52. Treffen wurden bereits Titel vorgeschlagen, weitere können --->hier hinzugefügt werden.

Cover mit freundlicher Genehmigung des Galiani Verlags Berlin

Bitte, wählt bis Dienstag, 23. Januar, damit noch genug Zeit zum Lesen bleibt.

Zu "Fone Kwas oder Der Idiot" von Georgi Demidow (1908–1987)) gibt es auf youtube ein eineinhalbstündiges Gespräch mit Lesung. Der FAZ-Artikel lobt vor allem die Sprache dieses "Bildungsroman[s]" über einen Protagonisten, der in den Dreißigern in der stalinistischen Sowjetunion vom NKWD in ein Lager verschleppt wird: "In 'Fone Kwas' hört, riecht und fühlt man alles: Gedanken eines Wissenschaftlers, Schweiß, der aus der Kleidung, mit der sich Menschen abwischen, ausgewrungen wird, Gespräche von Verrücktgewordenen und immer wieder das Bellen der Apparatschiks."

Warum liest man das, obwohl es weh tue? Weil "Fone Kwas" "ein zeitloses, wahrhaftes Dokument der Literatur" sei "über den echten und zeitlosen Schmerz der Menschen; der Menschen in der Zelle, die mit dem Ingenieur einsitzen und zu Freunden werden", sodass "der Gulag zum gelobten Land wird" (deutschlandfunk). Und der Autor weiß, wovon er schreibt, denn der KGB beschlagtnahmt sein Manuskript, das die Tochter aber nach dem Zerfall des Staates zurückerhält und als posthumes Werk veröffentlicht.

In "Betrug" handelt Zadie Smith auf 500 Seiten einen historischen Gerichtsfall so "aktuell, anspielungsreich und anspruchsvoll" ab, "dass man nach abgeschlossener Lektüre noch viele Male darin herumblättert, manches Kapitel noch einmal liest, manche Zusammenhänge erst dann begreift – und schließlich die Gesamtkonstruktion bewundert, als befände man sich in einer prachtvollen Kathedrale, die das Geheimnis ihrer Schönheit dem Besucher erst nach und nach enthüllt." (zeit online).

Cover mit freundlicher Genehmigung von Kiepenheuer & Witsch

Ein Mann verschwindet, taucht zehn Jahre später wieder auf und wird - obwohl offensichtlich ein Betrüger - von Teilen der Bevölkerung unterstützt und verteidigt. Für die FAZ "zweifellos ein früher Fall von Fake-News also, in dem sich sozialrevolutionäre Stimmung und Unterhaltungbedürfnis vermengten und der die kollektive Bereitschaft illustrierte, den offenkundigsten Lügen hypnotisch Glauben zu schenken." "Betrug" sei "schwere Kost", befindet die Frankfurter Rundschau, komme aber "durch kurze Kapitel und viele Zeitsprünge schnell in Fahrt. Fesselnd nimmt die Autorin ihre Leserinnen und Leser mit in die viktorianische Zeit. Dabei gibt sie jeder Figur auf 528 Seiten Raum zum Entfalten. 'Betrug' ist ein Buch, das so vielschichtig ist, dass ein einmaliges Lesen fast nicht ausreicht, um es in Gänze zu erfassen."

Bernhard Schlinks "Das späte Leben" stellt die Frage nach dem, was wohl nach dem Tod bleibt. rbb-online kennt jedoch keine Gnade: Martin, der wegen einer Krankheit nur noch kurz zu leben hat, sei "eine eher uninteressante Figur" und seine "seelischen Erschütterungen lösen sich in nicht besonders originellen Reflektionen auf [...]. Alles wirkt ausgedacht, abgemessen und wie mit Zirkel und Lineal geschrieben." Dass "das alles so papieren wirkt, hat auch mit Schlinks schlichter Sprache zu tun, die in der Beschreibung äußerer Umstände ihre Grenzen findet, die aber nicht dafür geeignet ist, komplexe Gefühlswelten lebendig werden zu lassen oder etwas Unerwartetes möglich zu machen." Getroffen, versoffen!

Ps45md, CC BY-SA 4.0, via Wikimedia Commons

Liest man die Rezension auf der Seite des br, fragt man sich, ob Jörg Magenau von rbbKultur den Roman überhaupt gelesen hat, denn im Gespräch mit Knut Cordsen vom br verweist der Autor auf eine erhellende Stelle im Werk: "Manchmal half ihm [dem Protagonisten] seine Langsamkeit; er reagierte auf Überraschungen, Provokationen, Krisen nicht gefühlsmäßig und wurde für kaltblütig gehalten, obwohl er seine Gefühle nicht kontrollierte, sondern noch keine hatte, weil sie erst später kamen."

Eine Tochter auf der Suche nach ihrer Alt-Hippie-Mutter begleiten wir in Daniel Specks "Yoga Town" nach Rishikesh. Mich hat "die Begegnung von westlicher Popkultur mit östlicher Spiritualität" interessiert. "Also etwas sehr Modernem mit etwas sehr Altem. Und das hat sowohl den Pop verändert als auch die Spiritualität verändert", zitiert ndr kultur den Autor. "Yoga Town" sei "ein unterhaltsames Buch, das aber auch einige ernstere Themen anspricht. Daniel Speck wirft einen Blick auf die Flower-Power-Generation, ohne sie und ihre Ideale bloßzustellen. Manchmal sind die Charaktere ein wenig zu holzschnittartig geraten, aber dennoch ist dieser farbenfrohe Lese-Trip nach Indien sehr zu empfehlen", urteilt Maren Ahring.

Mit freundlicher Genehmigung der S. Fischer Verlage

Was tun, wenn die Nazis kommen? "Wenn es zu spät ist, mag Angst gefährlich sein. Vorher ist es gefährlich, keine Angst zu haben. In 'Lichtspiel' kann man sich da ins Bild setzen", so Judith von Sternburg in der Rezension der Frankfurter Rundschau von Daniel Kehlmanns Roman. Der Regisseur Georg Wilhelm Pabst (zur realen Figur hier mehr) muss sich mit den Hitler-Nazis (soviel Genauigkeit muss inzwischen leider sein) arrangieren, obwohl sie ihn anwidern. Doch der SWR ist mit dem Werk nicht zufrieden, denn "die biografische Fiktion enttäuscht insgesamt. Viele Pointen sind vorhersehbar, die größtenteils biedere Prosa entwickelt sich zur Nummernrevue. Selbst Pabst war unter widrigen Bedingungen experimentierfreudiger als der Schriftsteller Kehlmann." Gnädiger ist da die Zeit, die lobt, Lichtspiel" sei "ein großes Werk über moralisches Versagen. Beinhaltet es auch eine Botschaft für unsere Gegenwart?" Und dann selbst die Antwort gibt: "Kehlmann gelingt es, das aus heutiger Sicht nur schwer verständliche Verbleiben in der alten Heimat plausibel zu machen."

Mit freundlicher Genehmigung von rowolth

Benjamin Labatuts "Maniac" beschäftigt sich mit dem Mathegenie von Neumann, der sich in einer grundlegenden Beweisführung auf dem Gebiet der Quantenmechanik katastrophal verrechnete, was aber seinem Ruf keinen Abbruch tat, weil sein Beweis so schwierig war, dass ihn sowieso keiner verstand. "Nachdem er mit seinen mathematischen Gleichungen das Funktionieren der ersten Atombombe gesichert hatte, riet er amerikanischen Generälen zum atomaren Erstschlag gegen die Sowjetunion", informiert der WDR, um dann zu urteilen: "Komplex ist die Geschichte trotzdem, aber dank Labatuts luzider Prosa (und der gelungenen Übersetzung) doch wunderbar klar, verständlich und erhellend." Und auch die SZ ist voll des Lobs: "Man hat hier Kapitel vor sich, deren Blickführung, Temperatur und Klarheit einen in den Wahnsinn treiben wollen, so wundervoll sind sie gearbeitet, und wenn sie durch ihre schiere Präsenz solche Romane hervorzukitzeln in der Lage ist, darf die künstliche Intelligenz sehr gern kommen." (zitiert nach: Buecher.de).

Mit freundlicher Genehmigung von rowolth

Mit "Dave", einem Roman über künstliche Intelligenz, gewann Raphaela Edelbauer 2021 den Österreichischen Buchpreis. Die Begründung der Jury: "Raphaela Edelbauer hat mit DAVE einen raffinierten Science-Fiction-Roman mit eingebauter Liebesgeschichte geschaffen, der nach den Gesetzen des Thrillers funktioniert. Dabei unterhält man sich nicht nur, sondern erfährt dank Edelbauers erstaunlicher Belesenheit viel über philosophische Debatten, Bewusstseins- und Gedächtnisforschung, Informatik und lernende Systeme, deren Heilsversprechen die Autorin spürbar misstraut. Denn der Weg zu einer schmerzlosen und total vernünftigen Gesellschaft nach dem Ebenbild des Computers führt durch Überwachung und Repression. Edelbauer erzählt elegant und pointiert, mit galligem Witz, Lust an der Anspielung und immer wieder verblüffenden Wendungen von der Ohnmacht des einzelnen in einer Diktatur der Weltverbesserer.“ Die SZ hebt "das Feuerwerk der Bezüge" hervor. " 'Solaris', 'Blade Runner' und '2001', 'Schöne neue Welt', 'Fahrenheit 451' und 'Der Circle', Frances Yates, Ludwig Wittgenstein und David Bowie - man wird schnell fündig und freut sich." Auf der Verlagsseite findet man unterhaltsame Videos mit der Autorin!

Mit freundlicher Genehmigung von Klett-Cotta