Samstag, 14. November 2020
Tipp von Miri: Offene See

Miri lenkt die Aufmerksamkeit auf Benjamin Myers "Offene See", das den Preis der unabhängigen Buchhandlungen gewonnen hat. Außerdem nominiert waren

  • Marco Balzano. Ich bleibe hier.
  • Charlotte McConaghy. Zugvögel.
  • Jasmin Schreiber. Marianengraben.
  • Iris Wolff. Die Unschärfe der Welt.

Bei dem Roman scheint es sich um einen echt geheimen Geheimtipp zu handeln - man findet nicht allzu viel dazu. Den Deutschlandfunk stören die "lyrischen Überambitionen", aber er betont, was von Myers "wohlig nostalgisch angehauchter Coming-of-Age-Geschichte in Erinnerung bleibt, ist die durchaus geschickt hergestellte Atmosphäre eines Sommers, die Stimmung der großen und kleinen Umbrüche".

Mit Genehmigung des Verlags.

Eine Besprechung zum Hören gibt es bei radio1. Mein Favorit: der kurze Überblick auf buch-haltung, der mit dem schönen Satz beginnt "Wohl jeder kennt diese Frage nach der Schule: was soll ich danach machen?" Tja, meine kleinen Freunde, da kann ich nur mit Sepp Herberger antworten: Nach der Schule ist vor der Schule! Aber zurück zum Thema. Der Roman wird warm gelobt als "poetisches, romantisches und naturverliebtes Buch".





Dienstag, 3. November 2020
Münchner Bücherschau im Netz
Foto mit Erlaubnis der Veranstalter / CC BY-SA

Danke an Doris für den Tipp, dass die Münchner Bücherschau im Netz zu finden ist. Interessierte sollten die Seite im Auge behalten. Vieles ist noch nicht benutzbar. Möglich ist bis 15.11. eine Teilnahme an der Verleihung des Publikumspreises im Rahmen des Bayerischen Buchpreises 2020. Nominiert sind fünf Werke: "Bretonische Spezialitäten" von Jean-Luc Bannalec, "Unsere Welt neu denken" von Maja Göpel, Monika Helfers "Die Bagage", "Trotzdem" von Ferdinand von Schirach und Lutz Seiler mit "Stern 111". Aber Achtung! Es gibt einen fast unüberwindlichen Spamschutz, bei dem so elaborierte Aufgaben wie 7-3=? gelöst werden müssen. Nix für Germanist*innen also.





Donnerstag, 22. Oktober 2020
Guntram Vesper 1941 - 2020

Guntram Vesper ist gestorben. 2016 durfte er eine Wiederentdeckung erleben, als er für seinen 1000-seitigen Roman "Frohburg" den Preis der Leipziger Buchmesse bekam (eine Rezension kann man in der FAZ lesen). Wobei man eigentlich kaum von Wiederentdeckung sprechen kann, denn seit seinem ersten Gedichtbändchen "Fahrplan" verging kaum ein Jahr, in dem er nicht Erzählungen, Gedichte oder Hörspiele veröffentlicht hätte.

Foto: Stefan Flöper / Wikimedia Commons, CC BY-SA 4.0

Alles, was Guntram Vesper "aus Erfahrung, historischer wie eigener, in Sprache verwandelt hat, folgt einer Ästhetik der überdeutlichen Wahrnehmung und der klaren Benennung", schreibt die Süddeutsche in seinem Nachruf.





Mittwoch, 14. Oktober 2020
Deutscher Buchpreis 2020

Gewinnerin des Deutschen Buchpreises 2020 ist Anne Weber mit ihrem Roman "Annette, ein Heldinnenepos". Und ein Heldinnenepos ist das Werk auch in der Form, denn die Autorin hat sich dafür an den alten Epen in lyrischem Ton und - wenn auch absolut freier - Versgestaltung orientiert.

Foto: Heike Huslage-Koch / CC BY-SA

Sie erzählt darin die Lebensgeschichte von Anne Beaumanoir, 1923 geboren, Résistance-Kämpferin, Neurophysiologin, engagiert für die FLN im Algerienkrieg, um nur einige Stationen zu nennen. "Zum Schönsten an diesem Buch gehört auch der scharfe und zugleich stets differenzierte Blick auf die Geschichte, der sich nie in politisch-moralischem Besserwissen ergeht", lobt die Süddeutsche. Auf die Rezensionen der FAZ und von Deutschlandfunk Kultur wurde bereits im Artikel über die Shortlist hingewiesen. Die Zeit spricht von nichts weniger als
"einem literarischen Ereignis". Wenn einem so viel Gutes widerfährt, das ist schon einen Buchkauf wert. Ein Video zur Preisverleihung findet sich auf der Seite des Deutschen Buchpreises.

Sehr lustig übrigens der Verweis im Internetauftritt des herausgebenden Verlags Matthes & Seitz:

Anscheinend war das Vertrauen in den Roman nicht so groß, dass man genug drucken wollte. War ja auch nur auf der Shortlist.





Donnerstag, 8. Oktober 2020
Literatur-Nobelpreis 2020

Louise Glück erhält den Literaturnobelpreis 2020. Die deutschsprachige wikipedia kennt sie nicht, die englischsprachige bietet immerhin ein Foto von 1977. Die deutschen Redaktionen eiern rum und weichen in Blabla über die letzten Skandale des Literatur-Nobelpreis-Komitees aus, sodass man vorerst nur soviel erfährt:

Sie ist 1943 geboren, US-Bürgerin, schreibt Essays und Lyrik und hat jetzt ne knappe Mille mehr auf dem Konto. Ihre Texte beschäftigen sich mit dem Verhältnis von Mensch und Natur. In Deutschland gibt es von ihr zwei Gedichtbände - "Wilde Iris" und "Averno", beide im Verlag "Derzeit nicht verfügbar". 1993 erhielt sie den Pulitzer-Preis, 2014 den National Book Award. 2015 verlieh ihr Obama die National Humanities Medal. Demnächst mehr.

Update 15.10.2020: Den wikipedia-Artikel gibt es jetzt auf deutsch!

Die Zeit hat sich inzwischen auch informiert und bietet sogar ein kleines Video rund um Autorin und Preisverleihung. Während in der Süddeutschen unter dem Titel "Kitschalarm, Stufe: Rot" gemäkelt wird: "Hätte es nicht stärkere Dichterinnen und Dichter gegeben?" Naja, okaaaaaay, wir denken uns bei der Lektüre des Blattes ja auch nicht selten: "Hätte es nicht eine sorgfältigere Recherche und eine gewissenhaftere Trennung von Information und Meinung geben sollen?" Und die nzz schwurbelt: "An dieser Schwelle zwischen Tod und Leben, die emblematisch für alle Übergänge des Daseins steht, entfalten die Gedichte ihre innere Spannung, indem sie die Zerrissenheit der Existenz nach allen Richtungen ausleuchten."

Warum erfährt man so wenig über diese Frau? Warum müssen immer die Bilder im Arm von Obama Informationen über ihr Schreiben ersetzen? Es hilft ein Blick nach Amazonien. Da gibt's weit und breit nix bis November 2020 auf Deutsch, außer man ist bereit für "Wilde Iris" 298 Tacken zu investieren. Glaubense nich?

Aber wahrscheinlich kann man nicht einmal mit nobelpreiswürdiger Lyrik einen schnellen Rubel machen.





Freitag, 25. September 2020
Christina Dalcher. Vox.

Susanne empfiehlt "Christina Dalcher. Vox." Die Unterdrückung der Frauen geht hier so weit, dass ihnen nur noch 100 Worte pro Tag erlaubt sind.

Eine Leseprobe gibt es direkt beim Fischer Verlag.

Cover-Foto mit Erlaubnis des S. Fischer Verlags

"In Vox erscheint kaum etwas plausibel", meckert die Zeit und unterstellt sogar plagiierende Anleihen bei Atwoods "Report der Magd". "Viel „Inspiration“ – aber nichts inspiriert Dalcher zu etwas Neuem, wirklich Originellem", ätzt ungewohnt scharf deutschlandfunkkultur und empfiehlt den Roman den Leserinnen von Ildiko von Kürthy oder Hera Lind. Da muss der Spiegel natürlich noch einen draufsetzen und titelt gleich "Heilige Scheiße". Findet sich denn nirgends Rittersmann oder Knapp, der 's wagt zu schlauchen in diesen Tund? Anscheinend nicht. Auch die taz, die den Roman in einem Artikel über feministische Belletristik aufführt, bescheinigt ihm allenfalls "Megamassentauglichkeit". Hmmmm, was nun? Vielleicht kommt ja bald der Gegenentwurf von Mario Barth: Der Roman über Männer, die gezwungen werden, mehr als 100 Worte am Tag zu sprechen.